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Was erwartet Schweizerinnen und Schweizer, die einen fremden Militärdienst antreten?

Können Schweizerinnen und Schweizer in einen fremden Militärdienst eintreten,
z. B. in der Ukraine?

Was sind die Konsequenzen im Falle eines Einsatzes? Gibt es Ausnahmen vom geltenden Recht? Hier erfährst du mehr.

 

Im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine und dem Einsatz von Schweizer Bürger/innen in der von der Regierung in Kiew aufgestellten «internationalen Legion» stellt sich akut die Frage, wie mit diesen Freiwilligen umgegangen werden sollte?

 

Artikel 94 des Militärstrafgesetzes (MStG) lautet wie folgt:

Der Schweizer, der ohne Erlaubnis des Bundesrates in fremden Militärdienst eintritt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.


Bürgerinnen und Bürger, die an der Seite der Ukrainer kämpfen, riskieren also theoretisch eine strafrechtliche Verurteilung.

Hier finden Sie das Video des Webinars zu diesem Thema (auf französisch)

 

Eine Gesetzgebung aus dem 19. Jahrhundert

 

Das Verbot, sich in eine andere als die Schweizer Armee einzuschreiben, ist seit 1859 in Kraft.

Bis 1927 konnten Schweizer Bürger/innen jedoch in die Fremdenlegion eintreten. Letztere wurde damals als nationale Truppe und nicht als Söldnerarmee betrachtet [1].

Ab diesem Zeitpunkt gingen jedoch trotzdem viele Schweizer/innen illegal nach Frankreich, um sich für die Fremdenlegion zu melden.

Sie flohen unter anderem vor Strafverfolgung oder versuchten, der Armut zu entfliehen.

 

Was bedeutet «in einen fremden Militärdienst eintreten»?

 

Unter «in einen fremden Militärdienst eintreten» versteht Artikel 94 MStG die formelle Verpflichtung (gemäss dem lokalen Recht im Ausland und dem eingeführten Verwaltungsverfahren) für eine fremde militärische Organisation oder den konkreten Eintritt in den Dienst einer ausländischen Armee.

Dies umfasst jede organisatorische Einheit, die Teil der Struktur einer ausländischen Armee ist, ob staatlich oder nicht, unabhängig davon, ob es sich um eine kämpfende Truppe (an der Front) oder eine nicht kämpfende Truppe (Propagandaeinheit, aktiv bei Cyberangriffen usw.) handelt.

In der Ukraine können die Internationale Legion, das Asow-Regiment oder die Gruppe Wagner mit einer Armee im Sinne des MStG gleichgesetzt werden. Dies gilt z. B. nicht bei einer privaten Sicherheitsfirma.

 

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Verhinderung des modernen Söldnertums

Ideologisch motivierte bewaffnete Gruppierungen fallen ebenfalls unter Artikel 94 MStG.

Im Jahr 2014 stellte der Bundesrat in einer Antwort auf eine Motion [2] zur Verhinderung des modernen Söldnertums, insbesondere im Islamischen Staat, klar, dass Artikel 94 MStG auch folgendes bestraft:

 

 [...] fremden Militärdienst [...], also auch einen Dienst in von Exilregierungen militärisch organisierten Untergrundverbänden, in Söldnerheeren, in freiwilligen Formationen sowie in Kampfverbänden von politischen Parteien, religiösen und aufständischen Bewegungen usw.

 

Verpflichtungen im Ausland sind manchmal legal

 

Wäre der Militärdienst in der Ukraine, um dieses aktuelle Beispiel aufzugreifen, in bestimmten Fällen trotzdem erlaubt? Die Antwort lautet - Ja.

Das Gesetz legt eindeutig seine Rechtmässigkeit fest, wenn der Bundesrat die Erlaubnis erteilt, in das Land zu gehen und dort zu kämpfen.

Ein schweizerisch-ukrainischer Doppelbürger, der zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung in der Ukraine wohnt, verstösst ebenfalls nicht gegen das Gesetz. Und auch nicht, wenn er seinen Militärdienst in der Ukraine geleistet hat, bevor er die schweizerische Staatsbürgerschaft erhalten hat.

Ein in der Schweiz lebender russisch-ukrainischer Staatsangehöriger, der vor seiner Einbürgerung in der Schweiz keinen Militärdienst in der Ukraine geleistet hat, kann hingegen nicht in die ukrainische Armee eintreten.

Zu beachten ist, dass es kein Abkommen zwischen der Schweiz und der Ukraine gibt (auch nicht mit Russland oder Belarus), das den Militärdienst im Ausland rechtmässig machen würde (im Gegensatz zu den Abkommen mit Frankreich und Finnland beispielsweise).

Die Teilnahme an friedenserhaltenden Massnahmen der Vereinten Nationen fällt nicht unter Artikel 94 MStG.

 

Nicht strafbares Eintreten in einem fremden Militärdienst

 

Es gibt zwei Fälle, in denen der Eintritt in einen fremden Militärdienst nicht gesetzlich strafbar ist:

 

  • Wenn der Einsatz unter Zwang erfolgte, um das eigene Leben zu retten oder um sich vor einer unmittelbaren Gefahr zu schützen (Art. 17 Abs. 1 MStG).

 

  • Wenn der Bürger nachweisen kann, dass er zum Zeitpunkt seiner Handlung nicht über die Rechtswidrigkeit seines Einsatzes Bescheid wusste (Art. 19 MStG).

 

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Beispiel eines türkisch-schweizerischen Doppelbürgers

 

Ein Irrtum über die Rechtswidrigkeit des Auslandseinsatzes wird selten akzeptiert. Es werden nur sehr spezielle Fälle berücksichtigt.

Dies ist zum Beispiel einem türkisch-schweizerischen Doppelbürger passiert. Dieser war gleichzeitig zum Militärdienst in der Schweiz und in der Türkei einberufen worden.

Er hatte die Schweizer Militärbehörden über seine Absicht, den Dienst in der Türkei zu leisten, informiert, ohne dass diese ihn auf die Rechtswidrigkeit dieses Verhaltens aufmerksam gemacht hatten.

Sein Bruder, ein Anwalt, hatte einige Jahre zuvor auf dieselbe Weise gehandelt, ohne strafrechtlich belangt worden zu sein. Die Militärjustiz entschied, dass es sich um einen nicht vermeidbaren Irrtum über die Rechtswidrigkeit handelte. Der Doppelbürger wurde daher nicht bestraft.

 

Strafrechtliche Verfolgung

 

Wenn der fremde Militärdienst nicht genehmigt wird, setzt sich der Schweizer Bürger der Gefahr aus, strafrechtlich verfolgt zu werden.

Diejenigen, die derzeit in der Ukraine in der Internationalen Legion kämpfen, müssen mit den härtesten Strafen rechnen.

Da es keine internationale Rechtshilfe gibt, sind die Verfahren jedoch begrenzt.

Daher ist es für die Militärjustiz schwierig, Kenntnis von Bürgern zu erlangen, die ins Ausland gegangen sind, um dort in den Militärdienst einzutreten.

Sie entscheidet auch unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls. Wenn das Gesetz es zulässt, kann sie auf die Bestrafung eines/r Bürgers/in verzichten.

 

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Fazit

 

Das Militärstrafgesetz verbietet es Schweizer Bürgern und Bürgerinnen a priori, ohne Zustimmung des Bundesrates in einen fremden Militärdienst einzutreten.

 

Ohne die Zustimmung von Bern kann ein/e Schweizer Bürger/in strafrechtlich belangt werden, wenn er/sie sich auf der Seite der ukrainischen Armee oder in paramilitärischen Milizen verpflichtet.

 

Es gibt aber auch Ausnahmen von dieser Regel, insbesondere wenn eine solche Verpflichtung unter Zwang oder zur Verteidigung des eigenen Lebens erfolgt.

 

Jeder konkrete Fall wird von der Militärjustiz anhand der Umstände der Verpflichtung gründlich untersucht.

Kategorien : Wissenschaft