Online-Prüfungen gibt es schon lange, doch bisher konnten nicht alle Bildungseinrichtungen diese Möglichkeit für sich nutzen.
Im Zuge der COVID-19-Pandemie waren selbst die zögerlichsten Lehrbeauftragten gezwungen Online-Prüfungen durchführen und das teilweise mit sehr kurzer Vorlaufzeit.
Und doch bieten Online-Prüfungen (fast) nur Vorteile! Liebe Lehrteams, hier findet ihr unsere Tipps für die sorgenfreie Nutzung von Online-Prüfungen!
Die richtigen Fragen stellen
Bevor du eine Online-Prüfung einrichtest, solltest du dir zunächst die richtigen Fragen stellen: Bin ich bereit für diese Veränderung? Was will ich? Wann? Habe ich die Zeit dafür?
Die Ausarbeitung eines Multiple-Choice-Tests ist sehr zeitaufwändig, dafür erfolgt die Korrektur automatisch.
Was will ich prüfen? Welches Sicherheitsniveau werde ich einrichten?
Andererseits sind für Reflektionsprüfungen keine grossen Überwachungsmassnahmen nötig.
Welches Mass an Vorbereitung verlange ich von den Studierenden? Sollte eine Probeprüfung vorgesehen werden?
Simulationsprüfung anbieten
Eine Simulationsprüfung hat mehrere Vorteile. Sie ermöglicht es den Studierenden, besser zu verstehen, was von ihnen erwartet wird. Ausserdem können sie sich mit der Online-Prüfungs-Umgebung vertraut machen, was ihnen viel Stress abnimmt.
Die Simulationsprüfung verstärkt auch das Lernen, indem sie aktives Wiederholen, verteiltes und verschachteltes Lernen (auf Englisch: retrieval practice, spacing und interleaving) fördert.
Und für dich ist es eine Möglichkeit, die ausgewählte Technologie vor der endgültigen Online-Prüfung zu testen.
Online-Bewertungsmethode sorgfältig auswählen
Die Hauptkategorien sind hierbei:
- Ausarbeitung von Dokumenten
- Quiz
- mündliche Prüfungen
Innerhalb dieser Klassifizierung gibt es jedoch eine unbegrenzte Anzahl von Möglichkeiten.
Eine Online-Prüfung kann beispielsweise darin bestehen, Videos aufzunehmen, eine Internetseite zu erstellen, Wikipediaseiten zu ergänzen usw.
Die Online-Prüfung kann eine Gruppen- oder eine Einzelprüfung sein: Bei Kursen mit vielen Teilnehmenden reduziert eine Gruppenprüfung die Anzahl der zu korrigierenden Arbeiten.
Neben diesem Vorteil für dich, als Teil des Lehrteams, ist es für die Studierenden entscheidend, dass sie lernen, in der Gruppe zusammenzuarbeiten. Das Diskutieren und Austauschen von Sichtweisen erlauben es, das eigene Verständnis eines Themas zu vertiefen.
Synchrone oder asynchrone Prüfung?
Man unterscheidet zwischen synchronen und asynchronen Online-Prüfungen:
Bei einer synchronen Prüfung sind alle Teilnehmende gleichzeitig mit dir online.
Bei einer asynchronen Prüfung gibt es einen Zeitunterschied und es wird eine bestimmte Frist festgelegt.
Bei der FernUni Schweiz bevorzugen einige Lehrbeauftragte asynchrone Prüfungen. Sie bietet mehr Flexibilität für die Studierenden, die das Studium neben ihrer Arbeit oder ihrem Familienleben absolvieren.
Für diese Art von Prüfungen ist jedoch mehr Zeit erforderlich, während eine synchrone Online-Prüfung beispielsweise eine Stunde dauert und dann vorbei ist.
Für dich besteht der Unterschied darin, dass du zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbar sein musst und du auch ein technologisches Risiko trägst, falls genau dann Probleme auftreten.
4 effektive Tipps zur Vorbereitung und Bewertung von Online-Prüfungen
1. Wie du eine Online-Prüfung vorbereitest
Wie bei allen Arten von Prüfungen musst du dir bereits zu Beginn des Semesters Gedanken über die Lernziele deines Moduls machen. Alle geplanten Aktivitäten werden den Studierenden helfen, diese Ziele zu erreichen.
Du kannst ihnen beispielsweise die Aufgabe stellen, über das Semester hinweg ein Forschungsprojekt durchzuführen; in diesem Fall entwickelt sich die Prüfung nach und nach.
2. Wie du eine Online-Prüfung bewertest
Das hängt von der Prüfungsmethode ab:
Bei einem Multiple-Choice-Test erfolgt dank der E-Learning-Plattformen die Korrektur automatisch.
Im Falle einer formativen Bewertung musst du auf der Grundlage der Kursinhalte ein Feedback geben.
Das Feedback ist entscheidend – unabhängig vom Format.
Die digitalen Tools bieten zahlreiche Möglichkeiten: PDF mit Anmerkungen, Kommentare in Word-Dateien oder sogar eine Sprachaufzeichnung. Die Studierenden schätzen diese letzte Option, die sehr viel angenehmer ist als schriftliche Korrekturen.
3. Wie du dank Online-Prüfungen Zeit gewinnst
Ein Online-Bewertungsprozess erfordert nicht mehr Zeit als der einer Präsenz-Prüfung, wenn man vom Online-Schalten der Prüfung einmal absieht.
Aber auch hier hängt es von der Art der Prüfungen ab:
Die Ausarbeitung eines Multiple-Choice-Tests stellt einen grossen Arbeitsaufwand dar und du solltest unbedingt im Vorhinein einen Probelauf durchführen. Häufig bereitet man ihn ein erstes Mal vor und fügt dann in jedem Jahr Elemente hinzu, um über einen grossen Fragenkatalog zu verfügen. Wenn der Multiple-Choice-Test jedoch einmal erstellt ist, kann man ihn wiederverwenden und die Korrektur erfolgt automatisch.
Mündliche Prüfungen können relativ schnell erstellt und benotet werden, die Durchführung kann jedoch sehr zeitaufwändig sein, vor allem bei Kursen mit vielen Studierenden.
Bei Aufsätzen muss viel Zeit für die Korrektur eingerechnet werden.
Vergiss darüber hinaus das Peer-Review-Verfahren nicht, das Verfahren, das sehr nützlich für das Lernen sein kann, insbesondere bei formativen Bewertungen. Es hilft den Studierenden, zu sehen, was von ihnen erwartet wird, was funktioniert und was nicht funktioniert.
4. Dinge, die du bei Online-Prüfungen beachten solltest!
Stell dir diese Fragen frühzeitig:
• Was sollten die Studierenden am Ende des Moduls können bzw. wissen?
• Wie bestimme ich, ob sie dieses Ziel erreicht haben?
Auf universitärem Niveau wird verlangt, dass man die erworbenen Kenntnisse nutzt, um zu analysieren, zu bewerten und zu kreieren.
Am besten ist es, wenn man vielseitige Prüfungen anbietet, die Teil des Lernprozesses sind, Sinn ergeben und zur Entwicklung von Kompetenzen beitragen, von denen die Studierenden in ihrem Privatleben und Berufsleben sowie im gesellschaftlichen Leben profitieren.
Jede Bewertung ist auf diese Gesamtvision ausgerichtet.
Henrietta Carbonel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der FernUni Schweiz im Bereich pädagogisches Ingenieurwesen, Forschung und Entwicklung. Wir durften ein spannendes Interview zum Thema Online-Prüfungen und insbesondere zu den Betrugsgefahren und den Risiken des Proctoring mit ihr führen.
In Zusammenarbeit mit der Universität Lausanne hat sie einen Leitfaden zur Fernbewertung von Studierenden verfasst. Dieser Leitfaden bietet eine ganze Reihe von Informationen für die Lehrteams, die mit der Erstellung von Online-Prüfungen konfrontiert sind.
Wurde dein Interesse für Online-Prüfungen seit Beginn der Pandemie oder bereits davor geweckt?
Ich praktiziere E-Learning und Online-Prüfungen schon lange, zunächst als Dozentin, später bei meiner Arbeit für die FernUni Schweiz.
Auch Lehrbeauftragte an traditionelleren Schulen ohne E-Learning haben bereits Fernbewertungen genutzt. Beispielsweise kann man durch die Beantwortung eines Multiple-Choice-Tests am Computer ein umgehendes Feedback erhalten.
Die Einreichung von Aufgaben ist online auch einfacher, da die Studierenden aufgefordert werden können, verschiedene Dateien, einschliesslich Videos und Podcasts usw., an einer Stelle einzureichen.
Du hast ein Handbuch für die Fernbewertung von Studierenden entwickelt. Welche Informationen enthält es?
Das Handbuch soll wirklich einen praktischen Leitfaden für Lehrteams darstellen, die während des ersten Lockdowns in kürzester Zeit auf Online-Prüfungen umstellen mussten.
Zunächst werden detailliert die Prüfungsarten mit ihren Vor- und Nachteilen erklärt und es gibt Beispiele.
Anschliessend folgt eine Checkliste für die Schritte vor, während und nach der Prüfung.
Und schliesslich ist der letzte Teil der Sichtweise der Studierenden gewidmet, damit die Lehrbeauftragten nachvollziehen können, wie die Studierenden Online-Prüfungen erleben.
Wenn man an Online-Prüfungen denkt, kommen einem sofort die Risiken des Schummelns in den Sinn. Ist die Gefahr effektiv höher?
Die Schlussfolgerungen von Studien hierzu sind nicht eindeutig.
Einige zeigen, dass das Risiko des Schummelns bei Online-Prüfungen steigt, andere beweisen das Gegenteil oder geben an, dass es keinen Unterschied gibt.
Es hängt vom Kontext, von der Art der Prüfung und davon ab, inwieweit man die Fragen eines Multiple-Choice-Tests «googeln» kann.
Definieren wir zunächst «Betrug»! In der Forschung zum Beispiel wird es nicht als Betrug angesehen, wenn man eine Kollegin oder einen Kollegen um ein Korrektorat bittet, sondern als eine gute und richtige Vorgehensweise.
Es lohnt sich, sich zu fragen: Was ist mir als Lehrbeauftragte/r wichtig?
Ist es wichtig, dass die Studierenden die statistische Formel auswendig kennen, oder dass er/sie weiss, wie man die richtige Formel auswählt, sie mit einer Software anwendet und die Ergebnisse analysieren kann?
Müssen Studierende in meinem Modul Kompetenzen im Bereich Kommunikation und Zusammenarbeit entwickeln? Die Antworten fallen für jedes Modul, abhängig von den jeweiligen Lernzielen, unterschiedlich aus.
Kannst du uns erklären, was «Proctoring» ist?
Proctoring oder auch Aufsichtspflicht ist – wie es das Wort sagt - die Beaufsichtigung der Studierenden während einer Prüfung.
Mit der Pandemie und den Online-Prüfungen hat sich das Online-Proctoring entwickelt, insbesondere durch externe Privatunternehmen.
Dieses Vorgehen wirft ethische Fragen auf. Es impliziert, dass man den Studierenden nicht vertraut. Vertrauen ist nun aber überaus wichtig, damit die Studierenden aus ihrer Komfortzone herauskommen und beispielsweise offen für Feedback sind.
Überwachung wird zur Normalität. Haben wir nicht gelernt, einer Überwachungsgesellschaft kritisch gegenüber zu stehen? Intellektuelle Redlichkeit ist in der Forschung (und in der Gesellschaft allgemein) von grösster Wichtigkeit, man will keine Forschende ausbilden, die ihre Ergebnisse manipulieren oder die Arbeit von anderen plagiieren.
Das ist vor allem eine pädagogische Debatte und keine technologische.
Welche Techniken gibt es, um Betrug zu vermeiden?
Mehr noch als um Techniken geht es, denke ich, darum, den Studierenden beizubringen, nicht zu betrügen, und ihnen Integrität als wichtigsten Wert zu vermitteln. Man kann auch Prüfungen vorbereiten, deren Antworten nicht «gegoogelt» werden können.
Bietet das Proctoring dennoch Vorteile?
Die privaten Proctoring-Services haben viele Nachteile, doch es gibt einfachere Systeme, die weniger intrusiv sind. Die Lehrbeauftragten können Zoom mit Kamera verwenden, die es ihnen ermöglicht, neben der Beaufsichtigung auch für ihre Studierenden da zu sein und während der Prüfung Fragen zu beantworten.
Einige Lehrbeauftragte und Studierende haben sich damit abgefunden, dass Betrug zu Online-Prüfungen gehört. Was denkst du darüber?
Der Kampf wird immer komplizierter, ob online oder nicht, z. B. aufgrund von einigen Smartwatches.
Bei TikTok habe ich 10 Möglichkeiten gefunden, das Proctoring zu umgehen!
Betrug ist nicht akzeptabel, er gefährdet die zukünftige Karriere der Studierenden.
Man kann und darf sich nicht damit abfinden.
Man kann die Bedeutung der Integrität immer wieder herausstellen; das ist u. a. der Fall in Seminaren mit Vorträgen zum Thema Plagiate.
Es müssen auch Prüfungen erstellt werden, die für die Studierenden Sinn ergeben, bei denen man ihnen die Wahl gibt, damit sie den Wunsch haben, sich voll einzubringen.
Wenn eine Online-Prüfung mehr Reflexion von den Studierenden erfordert, ist dies ein Vorteil für die Lerntechniken?
Ja, doch das gilt auch für Präsenz-Prüfungen.
Andererseits zwingen uns Online-Prüfungen, unsere Lehrmethoden zu überdenken. Man wird sich der Grenzen bestimmter Methoden bewusst.
Das Auswendiglernen reicht auf universitärem Niveau nicht mehr aus.
Haben Online-Prüfungen auch Nachteile?
Sie sind für die Studierende und für die Lehrteams aufgrund der technischen Risiken manchmal stressig.
Es ist möglich, dass sich die Parametereinstellung im Vorfeld als kompliziert erweist.
Die FernUni Schweiz bietet umfangreiche Unterstützung: Wir haben im letzten Jahr Webinare für unsere Lehrteams abgehalten. Darüber hinaus bieten wir ein Modul für unsere Lehrbeauftragten an, das sich ausschliesslich mit Online-Prüfungen beschäftigt. Ausserdem begleitet unser pädagogischer Dienst EDUDL+ jeden Schritt. Und während den Prüfungstagen stehen schliesslich unsere Mitarbeitenden der Dienste EDUDL+ und Student Services über unsere Hotline zur Verfügung. Ausserdem bieten die meisten Lehrteams Probeprüfungen an.
Wenn das alles so einfach ist, könnten Online-Prüfungen den Bildungsbereich revolutionieren?
Ja, sie bringen viele Änderungen mit sich, von denen man in der Zukunft weiterhin profitieren wird, auch nach der Pandemie.
Die Studierenden können sich Videos ansehen, die beispielsweise einen Prozess erklären. Ein Video sagt manchmal viel mehr aus als ein langer Text.