Nach mehreren Jahren an der Universität Lausanne (UNIL), zunächst in Kriminalwissenschaften und dann in Psychologie, entschied sich Théo Wider für die zeitgenössische Geschichte.
Ein Studium, das ihm Einblick in die Welt verschafft, die in Aufruhr ist oder die erstarrt, wenn eine Pandemie ihren Lauf nimmt.
Archivar oder Journalist, wofür schlägt das Herz des Studenten, der im Fernstudium an der FernUni Schweiz einen anderen Weg und einen neuen Lebensrhythmus gefunden hat?
Die ermutigende und einzigartige Geschichte eines wissbegierigen jungen Mannes
Théo ist vier Jahre alt und drückt die Schulbank.
Er ist nicht sehr glücklich.
Er kommt nicht gut mit seinen Schulkameraden zurecht und hört nicht auf das, was die Lehrerin ihm sagt.
Warum? Er weiss es nicht. Die Zeit vergeht, aber es ändert sich nichts.
Er hat immer wieder dieses ungute Gefühl, das ihn befällt, sobald er den Klassenraum betritt.
Seinen Eltern fällt auf, dass er ein hervorragendes Gedächtnis hat. Unfassbar, wie dieses Kind alles registriert, was es sieht und hört.
Théo ist intelligent, sehr intelligent, glaubt seine Familie.
Dann ist die Zeit reif für einen Tapetenwechsel – der junge Mann zieht nach Frankreich, besucht ein Kollegium und dann das Gymnasium.
Der Umgang mit seinen Mitschülern fällt ihm jedoch schwer. Hinzu kommt, dass er nicht richtig bei der Sache ist, weil er sich in einigen Fächern langweilt. Neuen Lernstoff hat er sofort intus.
Die Angst vor dem überfüllten Klassenzimmer
Wie geht es weiter? Oft überfällt ihn die Angst.
Sie kommt noch vor dem Unterricht, bläht sich auf und erfasst ihn dann völlig.
Er ist wie gelähmt und nicht in der Lage, dem Unterricht zu folgen.
Im Gymnasium ist es noch schlimmer, der Lärm und die Hektik machen ihm zu schaffen.
«Von den sechs Jahren blieb ich insgesamt mindestens zwei Jahre dem Unterricht fern» gesteht er, mit einem breiten Grinsen.
Er macht trotzdem seinen Abschluss und auch seine Matura im Bereich der Naturwissenschaft.
Er schreibt sich für ein Studium in Kriminalwissenschaften an der Universität Lausanne (UNIL) ein.
Er möchte Polizeiinspektor werden. Hat er den richtigen Weg gewählt? Immerhin bietet die Polizei Möglichkeiten der internen Weiterbildung.
Und dann kam doch der Wechsel in die Psychologie. Zwei Jahre lang lernt er unglaublich viel darüber, wie der Mensch funktioniert.
Eine alles entscheidende Erkenntnis
Etwas beschäftigt ihn. Er erfährt von diesem seltsamen Asperger-Syndrom (eine Störung aus dem Autismus-Spektrum), das ihn an jemanden erinnert. An sich selbst.
Dass er Probleme hat, auf andere zuzugehen, auch diese extreme Merkfähigkeit.
Er spricht mit einer Professorin, die ihn zu einem Psychiater schickt, der auf Autismus spezialisiert ist.
Die Diagnose ist eindeutig. Théo hat das Asperger-Syndrom.
Die UNIL erklärt ihm kurzerhand, dass man keine Möglichkeit habe, bei der Studiengestaltung auf seine Bedürfnisse einzugehen.
Das nimmt dem Studenten jeglichen Mut. Hinzu kommt, dass er mit diesem Syndrom nicht in der Lage ist, all die emotionalen Nuancen zu verstehen, was in der Psychologie aber unerlässlich ist.
Wieder steht er vor einem Richtungswechsel. Und dann erzählt ihm jemand von diesem universitären Institut, das Online-Studiengänge anbietet.
Ein anderer Weg, viel einfacher und viel erfüllender
Im September 2019 schreibt sich Théo bei der FernUni Schweiz ein. Für einen neuen Bachelor-Studiengang in zeitgenössischer Geschichte.
Ihm gefällt dieser Gesamtblick auf all die Ereignisse, die hier und anderswo auftreten.
Er fühlt sich wohl unter den älteren Studierenden. Das sind häufig Personen, die ihr Studium wiederaufnehmen, nachdem sie erst einmal in ihrem Beruf gearbeitet haben.
Oder die arbeiten gehen müssen und gleichzeitig ihr Hochschulstudium absolvieren.
«Das sind Helden. Wie schaffen die das?», fragt sich Théo.
Das Fernstudium ist so ausgerichtet, dass jeder das Studium so einfach wie möglich absolvieren kann.
Für Théo ist es mehr als ein Vorteil, mit reiferen Personen zusammen zu studieren - es ist ein Segen.
Unterstützung an allen Fronten
«Die älteren Kommilitonen sind immer da, um mich zu unterstützen. Wenn ich eine Pause machen muss, gibt es immer jemanden, der für mich mitschreibt.»
Und die Professorinnen und Professoren? «Sie haben immer ein offenes Ohr für mich. Sie wollen, dass wir bestehen, deshalb bringen sie sich enorm ein.»
An der FernUni Schweiz trifft er die anderen Studierenden samstags zu bestimmten Präsenzveranstaltungen.
Pandemiebedingt haben diese in letzter Zeit nicht stattgefunden.
Ausgerechnet er, der Angst vor grossen Menschenansammlungen hat, vermisst jetzt den Präsenzunterricht.
«Ich finde es wichtig, bei einem Mittagessen Ideen miteinander austauschen zu können.»
Das universitäre Institut setzt auf kleine Gruppen, um die Studierenden optimal betreuen zu können.
Für Théo ist das ideal. Er habe dort seinen Platz gefunden, in einem Umfeld, das viel besser zu seiner Persönlichkeit passt.
Eine unsichere, aber erfüllende Zukunft
Nach seinem Bachelor-Abschluss? Er zögert. Er könnte einen Master-Studiengang in Informationswissenschaften dranhängen und Archivar werden.
Ich bin wissensdurstig. Mich interessiert alles. Dieser Weg würde womöglich meine Neugier stillen.
Mit gerade mal 23 Jahren hat er alle Zeit der Welt. Auch andere Richtungen würden ihm gefallen, Historiker, Journalist.
Für eine Hochschularbeit hat er vor kurzem einen Artikel über das Abtreibungsrecht verfasst, ein Recht, das von politischen Extremisten alles andere als befürwortet wird.
«Das Thema fasziniert mich, aber weil ich mich als Mann vielleicht nicht ganz hineinversetzen kann, bat ich eine Kommilitonin, meinen Text zu lektorieren, im Gegenzug habe ich ihr Feedback zu ihrem Artikel gegeben.
Die Solidarität unter den Studierenden ist bei der FernUni Schweiz kein leeres Wort.
Bald steht die nächste Prüfung an, am Ende seines zweiten Studienjahrs. Bis dahin lässt er mit voller Begeisterung das Modul über Marc Bloch und seine überzeugende Sicht auf die Geschichte Revue passieren, oder den über die Rolle der Frauen im Laufe der Jahrhunderte, der es, wie er findet, an Sichtbarkeit fehlt.
«In den Online-Modulen, an denen ich zurzeit teilnehme, wird die Geschichte der Menschen vermittelt und nicht die, einer einzelnen Persönlichkeit und dessen Werks.»
Sein Syndrom ist kein Tabuthema. Er spricht darüber.
Seine Freunde, die er an der FernUni Schweiz oder anderswo kennengelernt hat, haben damit kein Problem. Niemand verabredet sich mit ihm in einem vollen und lauten Bahnhof.
«Und in der Kommunikation mit mir sind sie ganz präzise. Zum Beispiel sagen sie nicht ‹Es ist schon spät›, um damit auszudrücken, dass es Zeit ist, sich zu verabschieden, weil sie wissen, dass ich die Botschaft nicht verstehe.»
Was wäre wohl gewesen, wenn Théo dies universitäre Institut nicht entdeckt hätte, das ihm neue Horizonte eröffnet und ihm die Gewissheit gibt, dass er seinen Weg gefunden hat?
Dazu sagt die Geschichte nichts.