Zu zweit oder zu dritt geht vieles besser. Das Lernen im Team bietet nachweislich sehr viele Vorteile. Doch es birgt auch einige Risiken. Wie du und dein Lernteam effektiv arbeiten können, wird hier erklärt.
Lerngruppe? Vielleicht reagierst du – wie viele andere auch – schon auf das Wort mit einer gewissen Abneigung. Das ruft gleich Erinnerungen an die Schulzeit wach, als die Klasse in Gruppen aufgeteilt wurde. Während die einen Gruppenmitglieder sofort die Führung an sich rissen, lehnten sich andere bequem zurück, und die Dritten setzten sich gar ganz ab, wenn nicht physisch, so doch geistig. Doch wen wundert das? Solche Teams wurden meist nach dem Zufallsprinzip zusammengewürfelt. Da gab es weder Übereinstimmungen in Bezug auf die Ziele, das Rollenverständnis, das Sozialverhalten oder das Leistungsniveau. Für den Teamerfolg sind aber gerade solche Kriterien relevant.
Tatsächlich können Lernpartnerschaften im Studium sehr erfolgreich sein – und deutlich mehr Studierende könnten profitieren! Wer sich zuhause allein mit seinen Büchern abquält, verliert schneller die Motivation, als wenn er sich mit anderen austauschen kann über den Lernstoff, das Studium und die eigene Befindlichkeit. Dies zeigen verschiedene Studien, unter anderem die Studie «Zwischen Studienerwartungen und Studienwirklichkeit» des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wirtschaftsforschung von 2017: Studienabbrecher hatten vor dem Abbruch deutlich weniger Kontakt zu Kommilitonen/ innen als erfolgreiche Absolvierende. Diese Selbstisolation im Studium ist zwar nicht der einzige und auch nicht der primäre Grund für einen Studienabbruch, doch es ist einer, der vergleichsweise leicht verhindert werden könnte.
Positive Effekte von Lernteams:
Natürlich zählt im Studium primär die Einzelleistung. Zur Studierfähigkeit gehören jedoch nicht nur kognitive Fähigkeiten, sondern auch Skills wie Selbständigkeit, Organisation, Eigeninitiative, Durchsetzungsvermögen und - besonders wichtig - die Kommunikation. Hier kann das Lernen im Team gute Dienste leisten. Wenn über Fachliches diskutiert wird, müssen die Gruppenmitglieder offen sein für die Meinung anderer, sie müssen zuhören können, konstruktives Feedback geben und annehmen, ihre eigene Meinung klar und verständlich präsentieren und anderen gegenüber vertreten.
Weitere Vorteile sind:
- Durch eine intensivere Beschäftigung in der Gruppe mit dem Studieninhalt entsteht eine bessere Identifikation – und diese führt wiederum zu mehr Lernmotivation.
- Eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen in Diskussionen erweitert das Wissen: Lücken werden gefüllt, unterschiedliche Perspektiven, Ideen oder kreative Ansätze der anderen Gruppenmitglieder erweitern den eigenen Horizont.
- In einer Gruppe erfahren die einzelnen Mitglieder unter Umständen deutlich mehr Unterstützung als allein im stillen Kämmerchen – was Motivation und Durchhaltewillen fördert.
- Besonders bei komplexen Themen kann die Zeitersparnis beträchtlich sein: Gute Arbeitsteilung führt zu weniger Aufwand des einzelnen beim Recherchieren und Zusammentragen von Informationen.
- Die einzelnen Gruppenmitglieder können – ganz nebenbei – voneinander lernen, was Selbstorganisation und Lernstrategien betrifft.
- Bei der Teamarbeit werden ausserdem Fähigkeiten trainiert, die im späteren Berufsleben vorausgesetzt werden: In der Lerngruppe wird geübt, sich mit anderen Menschen in einem beruflichen Kontext auszutauschen, Gruppendynamiken zu verstehen und darauf zu reagieren. Wer oft in Gruppen arbeitet, versteht besser, wie andere Personen denken, handeln und was sie motiviert.
- Ganz oft profitieren Mitglieder von Lernteams auch von mehr Selbsterfahrung. Wie funktioniere ich in Gruppen? Was ist mein Beitrag? Wo liegen meine Stärken? Selbst (sehr) einzelgängerische Studierende machen da schon mal die überraschende Erfahrung, dass sie sich in einer Führungs- oder Moderatorenrolle wohl fühlen.
- Eine Sonderform des Lernteams ist das Lern-Tandem: Hier unterstützen sich zwei Studierende mit kulturell unterschiedlicher Herkunft gegenseitig. Sie profitieren zweifach: einerseits sprachlich, andererseits durch mehr Verständnis für die Umgebungskultur.
Mit diesen Schwierigkeiten und Risiken ist zu rechnen:
Selbst wenn sich die Mitglieder einer Lerngruppe gegenseitig auswählen und so für eine grössere Übereinstimmung der gesetzten Ziele sorgen, führen auch diese freiwilligen Lerngruppen nicht automatisch zum Erfolg. Manche starten enthusiastisch, nur um nach wenigen Wochen zu klagen:
- Wir finden nie Zeit…
- Wir kommen dauernd vom Thema ab….
- Wir haben keinen Plan…
- Wir halten unsere eigenen Regeln nicht ein…
- Ein Teammitglied sitzt nur da und profitiert von den anderen…
- Jemand merkt nicht, dass die anderen etwas anderes von ihm/ihr erwarten (weniger reden, mehr zuhören, eigene Ideen einbringen) – und niemand findet den Mut, es ihm/ihr zu sagen.
Nicht selten liegt der Misserfolg an der Gruppengrösse. Je mehr Menschen miteinander arbeiten, desto komplexer wird die Organisation. Geht es im Team nicht um ein spezifisches Projekt, sondern eher ums Lernen an sich, empfiehlt sich eine Gruppengrösse von drei oder maximal vier Personen. Allein schon die Aufgabe, passende Termine zu finden, wird mit jedem zusätzlichen Teammitglied schwieriger. Bei Zweierteams dagegen lässt sich oft beobachten, dass das Leistungsniveau sehr unterschiedlich ist. Zwar kann es für beide angenehm sein, wenn jemand die Rolle eines Dozierenden einnimmt, während der oder die andere einfach zuhört. Der Lerneffekt ist aber für diejenige Person, die erklärt, deutlich grösser als für die «Studentin».
All dies zeigt, dass es notwendig ist, sich erst einmal über die Rahmenbedingungen zu verständigen – und dies möglichst verbindlich! Wie du und deine Gruppe es besser machen, wird unten erklärt.
Teamwork eignet sich nicht für jede Arbeit
Es ist wichtig zu wissen, dass Gruppenarbeit nicht in jedem Fall sinnvoll ist. Wenn du dir erst einmal die Grundlagen für einen bestimmten Stoff aneignen musst, tust du das besser allein. Texte lesen, Informationen daraus ziehen, Fakten memorisieren – das muss das einzelne Gehirn allein leisten.
Auch für schriftliche Arbeiten sind Gruppen nur begrenzt nützlich, denn schreiben müssen Studierende ihre Texte ja allein. Wenn es aber darum geht, verschiedene Sichtweisen eines Themas zu entwickeln, zu vertiefen oder auch zusammenzutragen, ist die Gruppe richtig gut. Auch das Repetieren im Vorfeld einer mündlichen Prüfung kann in der Lerngruppe gut geleistet werden.
Gegenseitiges Abfragen und Erklären kann sehr viel effektiver, abwechslungsreicher und dadurch motivierender sein, als wenn du dich stundenlang allein zuhause abmühst.
Online – und trotzdem im Team?
«Zu sehen, dass mein bester Kumpel auch gerade arbeitet, hat mir geholfen.»
Diese kreative Lösung haben zwei Studierende gewählt, die während des Shutdowns in der Pandemie die gleichen Motivationsprobleme erfuhren: Sie stellten eine Video-Verbindung her und arbeiteten gleichzeitig – jeder still für sich. Das mag nicht jedermanns Sache sein. Doch der positive Effekt ist allseitig bekannt: Es arbeitet sich leichter da, wo andere dasselbe harte Schicksal teilen!
Soll über eine Video-Verbindung nicht nur parallel gearbeitet, sondern effektiv zusammengearbeitet werden, braucht es (einmal mehr) gute Organisation und Disziplin! Sich einfach mal so treffen und dann effizient arbeiten? Das gelingt im digitalen Raum noch weniger, als wenn man sich gegenübersitzt. Sorge vor dem Meeting dafür, dass dir und allen anderen Teilnehmenden klar ist, was bearbeitet werden soll. Stellt Regeln auf für die Zusammenarbeit, etwa: «Kamera ausschalten und davonlaufen, weil man gelangweilt oder genervt ist, ist ein «No-Go», weil es die Motivation der Gruppe schwächt.» Vereinbart, den Arbeitsteil des Meetings kurz und prägnant zu halten, während für diejenigen, die es wünschen, noch ein «After Work»-Teil mit Gesprächen und Austausch möglich ist. Sorge dafür, dass du die vereinbarten Aufgaben erledigt hast und dir das Thema präsent ist, bevor das Meeting startet.
Mit diesen drei Regeln lernen du und dein Team besser:
1. Achtet von Anfang an auf eine unterstützende Gruppenatmosphäre:
Es empfiehlt sich, am Anfang nicht nur zu besprechen, was erarbeitet werden soll, sondern auch, wie die Zusammenarbeit aussehen soll. Dabei könnten Wünsche, Hoffnungen und Ängste angesprochen sowie Umgangsregeln definiert werden. Es hilft, auch in Lernpartnerschaften davon auszugehen, dass auch andere nicht immer ganz sicher sind, dass sie Gefühle haben und diese verletzt werden können. Bemüht euch, offen und freundlich zu kommunizieren. Kritik ist wichtig und richtig, doch sie soll konstruktiv und höflich formuliert sein. Sprecht mögliche Probleme im Voraus an und überlegt euch, wie ihr sie lösen wollt. Braucht das Team eine/n Koordinator/in, und wenn ja, wer will die Aufgabe übernehmen – oder wird sie im Turnus ausgeführt? Wie wollt ihr damit umgehen, wenn sich zeigt, dass einzelne Gruppenmitglieder sehr viel Arbeit übernehmen, während andere kaum etwas beitragen? Was ist zu tun, wenn jemand ins Dozieren verfällt, während die anderen sich bequem zurücklehnen? Wäre es sinnvoll, sich ausserhalb der Lernsitzungen zu treffen, um sich besser kennenzulernen?
2. Sorgt für eine effektive Lernumgebung:
Gruppenregeln verbindlich klären: Wie oft treffen wir uns und wo? (Termine möglichst weit im Voraus festlegen, so dass alle teilnehmen können!) Was geschieht bei Nichterscheinen oder kurzfristiger Absage? Was geschieht, wenn jemand seine vorgesehene Rolle oder Aufgabe nicht erfüllt?
Klare Ziele festlegen: Welchen Nutzen erwarten wir von der Lerngruppe? Welche Ziele sollen am Ende erreicht werden? Können Meilensteine definiert werden? Es ist sinnvoll, Ziele für jedes einzelne Treffen im Voraus festzulegen, beispielsweise: Welche Themen sollen heute bearbeitet werden und wie lange? Wer übernimmt welche Aufgaben?
Treffpunkt gut wählen: Wenn effektiv gearbeitet werden soll, eignet sich ein Arbeitsort besser als ein öffentlicher Ort, an dem viel Ablenkung droht.
3. Haltet den Fortschritt im Auge und feiert eure Meilensteine
Nichts motiviert so sehr wie Erfolg. Und das Gegenteil ist ebenfalls richtig: Misserfolg demotiviert. Wenn eure Gruppe also nicht gut arbeitet, sollte das unbedingt angesprochen werden. Werden die Aufgaben fair/unfair verteilt? Dominiert jemand? Ist jemand zu still? Verzettelt ihr euch in langwierigen Diskussionen? Manchmal lohnt es sich, eine Sonder-Teamsitzung einzuberufen. Dabei darf jede/r sagen, was getan werden könnte, um die Zusammenarbeit zu verbessern – und vor allem: was er oder sie dafür zu leisten bereit ist. Möglicherweise braucht die Gruppe auch einfach etwas mehr sozialen Zusammenhalt. Wie im Arbeitsleben gilt auch in Lernteams: Menschen arbeiten gut zusammen, wenn sie einen persönlichen Draht zueinander haben. Dafür bieten erreichte Meilensteine sehr gute Gelegenheiten. Feiert sie und freut euch gemeinsam an dem, was ihr miteinander erreicht habt.
In Kürze:
- Im Team lernen kann sehr effektiv sein, vorausgesetzt, es werden Regeln beachtet.
- Gute Teams profitieren von mehr Identifikation mit dem Studieninhalt, mehr Motivation und mehr Erfolg.
- Je mehr Teammitglieder, desto komplexer die Organisation.
- Gute Lernpartnerschaften teilen Ziele, Erwartungen und Rollenverständnis und sind ungefähr auf dem gleichen Leistungsniveau.
- Online-Zusammenarbeit verlangt noch mehr (Selbst)Disziplin und Organisation.