Die sogenannte «Postwachstumsphilosophie» der Arbeit gewinnt immer mehr an Bedeutung: Sie zielt insbesondere darauf ab, andere Werte als die Erwerbsarbeit zu fördern – wie die Gesundheit, soziale und ökologische Gerechtigkeit oder auch die Freiheit.
Diese Entwicklung nimmt einen zentralen Platz in der Arbeit von Prof. Dr. Nicolas Bueno, Assistenzprofessor für europäisches und internationales Recht, ein. Als Experte für Fragen zur Zukunft der Arbeit und des Arbeitsrechts untersucht er, wie das Arbeitsrecht diese Entwicklung begleiten könnte.
Es gibt viele Fragen zur Digitalisierung: Wie sieht beispielsweise die Zukunft unserer Arbeit aus, wenn Menschen durch Roboter ersetzt werden?
Immer mehr Menschen stellen sich auch die Frage: «Ist meine Arbeit überhaupt noch sinnvoll?» «Muss ich wirklich ausschliesslich dafür arbeiten, um ein Gehalt zu bekommen, oder möchte ich auch, dass mir meine Arbeit sinnvoll erscheint?»
Ich möchte aufzeigen, dass das Arbeitsrecht derzeit nicht wirklich dafür gerüstet ist, diese Fragen zu beantworten.
Woher kommt Ihr Interesse an diesen Themen?
Mein Interesse am Arbeitsrecht entstand, als ich an speziellen Fällen arbeitete, die in der Textilindustrie angesiedelt waren. Dabei wurde mir klar, wie schlecht die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmenden wirklich waren. Die Antwort, die das Arbeitsrecht darauf bieten konnte, lautete: «Sie werden Mindestlohn- und Mindestarbeitsbedingungen haben.»
Ich fand, dass dies nicht die langfristige Lösung sein konnte und dass ein anderer Ansatz gefördert werden muss.
Mein Ziel im Hinblick auf das Arbeitsrecht ist es, aufzuzeigen, dass das Arbeitsrecht seit mehr als einem Jahrhundert auf einem Minimalansatz aufbaut, indem es bestimmte Mindestrechte garantieren will. Ich möchte zeigen, dass es möglich ist, einen positiveren Ansatz zu entwickeln, bei dem mehr Rechte gewährt werden. Dieser Ansatz bedeutet aber auch, dass die Arbeit selbst innerhalb des Arbeitsrechts neu bewertet werden muss.
Um Arbeit neu zu bewerten, muss man sich darüber im Klaren sein, dass es auf dem Arbeitsmarkt bestimmte Arbeiten gibt, die äusserst produktiv sind, und andere, die für die Gesellschaft sehr nützlich sind, aber schlechter bezahlt werden. Es muss also eine Debatte über den Wert der Arbeit angestossen werden.
Ein Beispiel: Eine Anwältin / ein Anwalt, die/der eine peruanische Gemeinde verteidigt, die durch die Verschmutzung eines Flusses in Mitleidenschaft gezogen wurde, macht die gleiche Arbeit wie eine Anwältin / ein Anwalt, die/der das Unternehmen verteidigt, das für diese Verschmutzung verantwortlich ist. Das Gehalt unterscheidet sich jedoch erheblich: die Unternehmensanwältin / der Unternehmensanwalt verdient das 10-Fache. Das bedeutet, dass es ein Problem mit der Wertschätzung von Arbeit und der Art und Weise, wie sich diese Wertschätzung in der Entlöhnung widerspiegelt, gibt.
Was ich mit meiner Forschungsarbeit zum Arbeitsrecht bewirken möchte, ist, dass man sich die Frage nach dem Wert der Arbeit in der Gesellschaft und für jeden Einzelnen stellt.
In der Zukunft kann man sich – einer Logik folgend, die über die Produktivität hinausgeht – folgende Fragen stellen:
Mit meiner Forschungsarbeit versuche ich, Antworten auf diese Fragen zu geben, wobei mein Ziel darin besteht, die Überlegungen zum Thema «Zukunft des Arbeitsrechts» voranzutreiben.