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Spiele und Emotionen: wenn beim Spielen die Emotionen hochkochen

Geschrieben von Alexandra Zaharia | 09.08.22 12:15

Hattest du schon einmal das Gefühl, dass die nächste Entscheidung, die du während eines Brettspiels triffst, eine Freundschaft zerstören könnte?

Lüge, Verrat, Bluff, Strategie, Manipulation, Verlieren, Gewinnen: Manchmal kann schon ein einfacher Spieleabend mit Freunden deine Emotionen und die Beziehungen zu deinen Mitmenschen auf eine harte Probe stellen.

Das Brettspiel: eine gute Möglichkeit, um deine emotionalen Kompetenzen zu schulen

Die Regeln und Mechanismen eines Spiels können von dir ein Verhalten erfordern, das die Intensität deiner Gefühle und deren Wertigkeit schwanken lässt (z. B. von Spass zu Ärger).

Gleichzeitig bietet ein Spiel viele Möglichkeiten, die es dir erlauben, deine emotionalen Kompetenzen zu trainieren.

Wenn du darauf wartest, bis du an der Reihe bist, musst du dich zurückhalten, also deine Emotionen regulieren.

Stell dir vor, du stehst kurz vor dem Sieg und bereitest dich mental auf die nächste Aktion vor: Die Spannung ist auf dem Höhepunkt.

Du antizipierst deinen Sieg und bist sehr aufgeregt.

Andererseits kann es auch sein, dass du frustriert bist, weil die Aktion, die dein Gegner oder deine Gegnerin gerade ausgeführt hat, sich als überaus nachteilig für dich erweist und dir den Sieg kosten kann.

Gleichzeitig musst du deine Emotionen verbergen (Unterdrückung jeglicher Ausdrücke) oder eine andere Emotion simulieren, um deine Strategie nicht offenzulegen.

Schliesslich beobachtest du deine Gegner oder Gegnerinnen ständig, bewusst oder unbewusst: Zusätzlich zu deren Verhalten und Handlungen versuchst du, ihre Emotionen zu erkennen, um ihre Absichten besser erraten zu können.

 

Freund oder Feind?

Wenn du spielst, kannst du ein ganzes Kaleidoskop von Emotionen durchleben, die das Spiel erst richtig interessant machen.

Vielleicht musst du die Handlungen anderer behindern, um dir einen Vorteil zu verschaffen, oder du entscheidest dich dafür, «nett» oder sogar «aggressiv» zu sein.

Dein emotionales Bewusstsein ermöglicht es dir, zwischen Emotionen zu unterscheiden und zu verstehen, dass angenehme (Freude, Spass) und unangenehme (Frustration, Eifersucht) Emotionen gleichzeitig auftauchen können.

Wenn dein Freund oder deine Freundin z. B. gewinnt, kannst du sowohl Bewunderung als auch Eifersucht empfinden. Bei diesen gemischten Gefühlen kann es widersprüchlich erscheinen, dem Gewinner bzw. der Gewinnerin zu gratulieren.

Den/Die Gegner/in vom besten Freund oder der besten Freundin zu erkennen und gleichzeitig zwischen dem Spiel und dem wahren Leben zu unterscheiden, ist manchmal eine Gratwanderung.

Um den «Verrat» deines Freundes bzw. deiner Freundin besser zu akzeptieren, sollte es dir gelingen, umzudenken und seine bzw. ihre Handlung umzudeuten: «Mein Freund bzw. meine Freundin handelt im Rahmen eines fiktiven Handlungsspielraums und gemäss seiner/ihrer Mission oder geheimen Identität.»

 

Im Rahmen des Spiels ist (fast) alles erlaubt!

 

 

Schlechte Verlierer/innen oder schlechte Gewinner/innen?

Ob du gewinnst oder verlierst, du kannst widersprüchliche Tendenzen in Bezug auf den Ausdruck deiner Emotionen erleben: In welchem Masse lässt du dich von deinen Gefühlen mitreissen und wie intensiv wirst du sie ausdrücken?

Um diese Frage zu beantworten, müsste man die Gefahr einrechnen, den anderen den Spass und die Freude am Spiel zu verderben.

Es kann sich negativ auf deine Beziehungen zu anderen auswirken, wenn du übermässigen Frust ausdrückst, indem du die Karten wegwirfst oder das Spielbrett umwirfst, aber auch, wenn du deinen Stolz über den Gewinn übertreibst, indem du andere auf deinen Erfolg eifersüchtig machst.

Es hat sich als wesentlich erwiesen, die Emotionen anderer zu verstehen, ohne sich durch die Art und Weise, wie sie diese ausdrücken, angegriffen zu fühlen: Respektiere die Niederlage anderer, wenn du gewinnst, aber auch die Enttäuschung, wenn du verlierst.

Als Spieler oder Spielerin wirst du oft versuchen, deine Emotionen zu regulieren und einen angemessenen Weg zu finden, diese Emotionen zu kommunizieren, um gute soziale Beziehungen aufrechtzuerhalten und ... um weiterspielen zu können!

Kleiner Tipp: Wenn unangenehme Gefühle beginnen, dich zu überwältigen, ist wohlwollender Humor immer eine gute Ablenkung. Denke um und rufe dir angenehme Gefühle in Erinnerung: Der Abend ist gerettet!

 

 

Emotionen im Spiel: Sind sie «echt»?

Einige Philosophen und Forschende vermuten, dass die Emotionen, die bei fiktiven Aktivitäten erlebt werden, nicht die gleichen sind wie die in der Realität.

Wenn man das Spielen als fiktive Aktivität betrachtet, könnte man vermuten, dass die in diesem Zusammenhang empfundenen Emotionen anders sind als die Emotionen in der Realität.

Folgt man dieser Ansicht, können die Emotionen, die während eines Brettspiels empfunden werden, als «Quasi-Emotionen» betrachtet werden, da sie mit nicht wirklich realen Situationen und «so tun, als ob» verbunden sind. Allerdings können die bei einem Brettspiel empfundenen Emotionen Auswirkungen im realen Leben nach sich ziehen.

Beispielsweise kann sich unser Urteil über das Verhalten von Freundinnen und Freunden bis in die täglichen Beziehungen fortsetzen; es können sich auch Aspekte ihrer Persönlichkeit auftun, die man vorher nicht kannte.

So bleiben unangenehme Emotionen, die während des Spiels empfunden wurden, wie Frustration oder Eifersucht, auch dann noch bestehen, nachdem das Spiel weggeräumt wurde.

Was dich dazu bringen wird, deine Gäste für den nächsten Spieleabend sorgfältig auszuwählen!

 

Studieren und forschen an der FernUni Schweiz

In diesem Video erfahren Sie mehr über das Forschungsprojekt Spiel und Emotionen:

 

 

Im Rahmen des chEERS Lab der FernUni Schweiz untersuchen wir die Zusammenhänge zwischen den von unserem Team entwickelten Brettspielen und den emotionalen Kompetenzen.

Absolventinnen und Absolventen vom Master-Studiengang in Psychologie, leisteten einen wichtigen Beitrag zu diesen Projekten.

Sie wurden in der Spielgestaltung und in der Verhaltensbeobachtung der Spielerinnen und Spieler geschult. Anschliessend leiteten sie Spielworkshops mit Kindern und Jugendlichen und führten mehrere Umfragen und experimentelle Aufgaben mit Schülerinnen und Schülern durch.