Klimagerechtigkeit, soziale und ökologische Verantwortung, … Immer mehr erwartet die Gesellschaft von Unternehmen, dass sie sich vorbildlich verhalten und für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden können. In der Schweiz gibt es vermehrt Initiativen und die Europäische Union erwägt die Einführung einer entsprechenden Gesetzgebung.
Prof. Dr. Nicolas Bueno, Assistenzprofessor für europäisches und internationales Recht, konzentriert sich in seiner Forschungsarbeit auf den Bereich der Unternehmensverantwortung und -haftung.
Unter Unternehmensverantwortung verstehe ich eine gesetzliche und rechtliche Haftung, die es Personen, die direkt von den Aktivitäten eines Unternehmens betroffen sind – insbesondere im Ausland –, ermöglicht, ein Gericht anzurufen, um Schadenersatzforderungen zu stellen.
Als Wissenschaftler vergleiche ich die nationalen Gesetze zur zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen. Durch den Vergleich dieser Gesetze konnten wir nachweisen, dass es im Bereich der Unternehmenshaftung tatsächlich Gesetzeslücken gibt. So führen nur 1–2 % der länderübergreifenden Fälle von Unternehmenshaftung letztendlich zu einer Entschädigung der Opfer.
Mein Ziel ist es, die Lücken in der Gesetzgebung aufzuzeigen. Zum Beispiel unterliegen Unternehmen keiner konkreten Verpflichtung und müssen keine echte Verantwortung für Menschenrechte oder Umwelt übernehmen.
Die andere Problematik besteht darin, dass Personen, die von den Aktivitäten eines multinationalen Unternehmens betroffen sind – insbesondere im Ausland –, in den meisten Fällen nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um vor Gericht zu klagen.
Grund hierfür sind auch Gesetzeslücken – insbesondere in der Schweiz –, wo es nicht möglich ist, kollektiv gegen ein Unternehmen zu klagen.
Ich denke an Fälle, in denen wir ein Unternehmen haben, das seinen Sitz in einem Industrieland hat, jedoch im Ausland produziert, wo die Vorschriften vielleicht etwas weniger streng sind.
Ein Beispiel wäre ein Unternehmen, das Pestizide, die in der Schweiz und in Europa seit vielen Jahren verboten sind, herstellt. Die Pestizide werden weiterhin exportiert und beispielsweise in Indien eingesetzt, was zu Umwelt- und Gesundheitsschäden bei den Menschen, die sie anwenden, führt.
Ein weiteres Beispiel ist die Klimaverantwortung von Unternehmen. Einige Menschen sind direkt vom Klimawandel betroffen, insbesondere wenn sie in Küstengebieten leben. Es stellt sich die Frage, ob ein Unternehmen, dessen Aktivitäten extrem umweltschädlich sind – wie etwa im Bereich der Zementherstellung – eine gewisse zivilrechtliche Haftung haben könnte.
Auf diese Fragen kann die Rechtsprechung noch keine Antworten geben.
Auf internationaler Ebene gibt es derzeit die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Das Problem ist, dass diese Standards rechtlich unverbindlich bleiben.
Momentan gibt es weltweit nur zwei oder drei Staaten – vor allem Frankreich und in letzter Zeit auch Deutschland –, die eine sehr scharfe Gesetzgebung zur Unternehmensverantwortung verabschiedet haben. Die Schweiz hat dies jedoch nicht getan.
Und man muss auch wissen, dass auf EU-Ebene eine Gesetzesdebatte geführt wird, um diese internationalen Standards der Vereinten Nationen einzuführen und umzusetzen.
Zurzeit arbeiten mehr als 300 Forschende, Professoren/innen, Doktoranden/innen und Postdoktoranden/innen an Fragen der Unternehmensverantwortung und -haftung in verschiedenen Rechtsgebieten: im Strafrecht, Zivilrecht, Privatrecht und im internationalen Recht. Und es ist dieses Netzwerk, das in Bezug auf die Unternehmensverantwortung ein Ganzes bildet.
Zusammenarbeit – zum Beispiel die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und der Zivilgesellschaft – ist eine andere Art des Vorgehens. Ich denke da an Nichtregierungsorganisationen, die häufig Klima- oder Haftungsfälle von Unternehmen vor Gericht bringen werden, oder an die Arbeit, die mit den Unternehmen geleistet werden muss, um ihnen die Folgen neuer Haftungsgesetze aufzuzeigen.
Ich möchte dazu beitragen, dass Unternehmen in der Lage sind, umwelt-, klima- und menschenrechtsverträglich zu produzieren, ohne ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu verlieren. Um dieses Ziel zu erreichen, muss es ein Regelwerk geben, das für alle Akteure in gleicher Weise gilt und durchsetzbar ist.