FernUni Blog

Einberufung während COVID, wie wird mit abwesenden Bürgern umgegangen?

Geschrieben von Martin Bernard | 07.12.22 16:13

Wie wurde mit Bürgerinnen und Bürgern verfahren, die ihrer Dienstpflicht während der Corona-Pandemie nicht nachgekommen waren? Welche Verstösse gegen die Dienstpflicht gibt es generell und welche Strafen werden dafür verhängt? Ist das Gemeinwohl immer ausschlaggebend?

 

Während der Corona-Pandemie setzte der Bundesrat im Rahmen des COVID-Einsatzes die Armee, den Zivildienst und den Zivilschutz (ZS) ein.

 

Tausende von Diensttagen wurden von den verschiedenen Dienstpflichtigen geleistet. Laut den Statistiken des Bundesamts für Statistik folgten jedoch einige hundert Schweizer Bürgerinnen und Bürger in den Jahren 2020 und 2021 aus persönlichen oder beruflichen Gründen ihrer Einberufung nicht.

 

Hier finden Sie das Video des Webinars zu diesem Thema (auf französisch)

 

 

Die Erfüllung der Bürgerpflicht

 

Zur Erinnerung: Die Militärdienstpflicht für Schweizer Männer ist in der Bundesverfassung verankert (Art. 59), die im Falle eines Gewissenskonflikts auch einen zivilen Ersatzdienst vorsieht.

 

Art. 61 der Verfassung regelt den Einsatz im Zivilschutz.

 

Einberufung während der Corona-Pandemie

 

In Notsituationen erlauben das Zivildienstgesetz (Art. 14 ZDG) und das Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz (Art. 46 BZG) das ausserordentliche Aufgebot von Dienstpflichtigen.

 

So wurde der Zivilschutz bereits zu Beginn der Corona-Pandemie mobilisiert. Insgesamt wurden von Februar 2020 bis Ende März 2022 fast 560'000 Diensttage von rund 41'000 Zivilschutzangehörigen geleistet[1].

 

Im Falle einer Krisensituation innerhalb des Landes kann die Armee ebenfalls mobilisiert werden, allerdings nur zusätzlich für Unterstützungsdienste (nicht zu verwechseln mit dem «aktiven Dienst», der mit der Verteidigung des Landes im Kriegsfall verbunden ist).

 

Tatsächlich müssen für einen solchen Fall alle anderen Ressourcen (Zivilschutz, Zivildienst, Feuerwehr, Privatsektor usw.) ausgeschöpft worden sein. Dies war im Rahmen der Bewältigung der Corona-Krise erfolgt.

 

[1] https://www.babs.admin.ch/fr/home.detail.nsb.html/87752.html

 

Gemeinwohl versus individuelles Interesse

 

Wird im Rahmen der Dienstpflicht das Gemeinwohl immer über das individuelle Interesse gestellt?

 

Grundsätzlich ja: um den reibungslosen Ablauf des Dienstes und die Landesverteidigung zu gewährleisten und die Bevölkerung, Behörden und Institutionen zu unterstützen (insbesondere in Krisensituationen).

Es gibt jedoch Ausnahmen von diesem Grundsatz.

 

Eine Abwesenheit ist gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt des Dienstes ein überwiegendes individuelles Interesse (an Leben, Körper oder Vermögen usw.) einer konkreten Gefahr ausgesetzt ist, die nicht anders abgewendet werden kann. In diesem Fall kann dem Bürger kein solches Opfer angemessenerweise abverlangt werden.

 

Auch Jugendliche in Ausbildung können ihre Diensttage verschieben, sofern sie bei der entsprechenden Behörde einen Antrag stellen.

 

Angesichts der Tatsache, dass die Erfüllung der Dienstpflicht gewisse Opfer, insbesondere finanzieller Art, erfordert, wird eine Unannehmlichkeit jedoch nicht als konkrete und gegenwärtige Gefahr angesehen.

 

In der Praxis gibt es keine allgemeingültige Formel. Jede Situation wird von Fall zu Fall untersucht.

 

 

Verstösse gegen die Dienstpflicht

 

Die Verstösse gegen die Bürgerpflicht sind vielfältig. Sie sind im Militärstrafgesetz, im Zivildienstgesetz sowie im Zivilschutzgesetz aufgelistet.

 

Zu diesen Verstössen zählen u. a.:

 

- Dienstverweigerung und Desertation

- Vorsätzliches Militärdienstversäumnis und unerlaubte Entfernung

- Fahrlässiges Militärdienstversäumnis

- Die Nichtbefolgung einer Einberufung

 

Im Folgenden sind einige Beispiele aufgeführt. Während der Corona-Pandemie handelten Bürger und Bürgerinnen gesetzeswidrig, die sich mit der Begründung weigerten, dass Corona eine organisierte Verschwörung sei, um der Bevölkerung zu schaden.

 

Ein anderer Fall: Ein Landwirt, der den Dienst mit der Begründung verweigert, dass sein landwirtschaftlicher Betrieb Vorrang vor seinen militärischen Verpflichtungen hat, handelt ebenfalls rechtswidrig.

 

Ein vorsätzliches Militärdienstversäumnis liegt vor, wenn ein Bürger beschliesst, trotz des Risikos, wegen der Pandemie nicht aus dem Ausland zurückkehren zu können (diese Information war auf der Website des Bundes zu finden), ins Ausland zu reisen, obwohl sein Dienst einige Tage später beginnt. Aufgrund der Gesundheitslage muss er tatsächlich im Ausland bleiben und verpasst seinen Dienstbeginn.

 

Beachten Sie, dass ein Arbeitgeber verpflichtet ist, seine Angestellten freizustellen, damit sie ihre Bürgerpflicht erfüllen können, da er sonst mit Sanktionen rechnen muss.

 

Sanktionen für abwesende Bürger

 

Verstösse gegen die Bürgerpflicht unterstehen der Militärjustiz (für den Militärdienst) und der zivilen Strafjustiz (für den Zivildienst und den Zivilschutz).

 

Das Gesetz sieht Freiheits- sowie Geldstrafen für Bürger vor, die ihrer Dienstpflicht nicht nachgekommen sind.

 

Eine vollständige Verweigerung des Dienstes in der Armee kann beispielsweise mit einer Freiheitsstrafe von 4 bis 8 Monaten bestraft werden. Bei Militärdienstversäumnis werden je nach Schwere der Tat Geldbussen verhängt.

 

Für Zivildienstleistende sind identische Strafen vorgesehen. Bei Zivilschutzpflichtigen ist das Gesetz hingegen milder (es sind keine Freiheitsstrafen vorgesehen).

 

Die konkreten Strafen werden anhand verschiedener Kriterien festgelegt. Jeder Fehler wird einzeln beurteilt und alle Umstände werden untersucht.

 

 

Fazit

 

Die Pflicht, in der Armee zu dienen oder andernfalls Zivildienst zu leisten oder am Zivilschutz teilzunehmen, ist in der Bundesverfassung verankert.

 

Im Rahmen der Dienstpflicht wird das Gemeinwohl immer über das individuelle Interesse gestellt. Es gibt aber Ausnahmen, wenn ein überwiegendes individuelles Interesse vorliegt. Jeder Antrag auf eine Ausnahme wird von den zuständigen Behörden von Fall zu Fall geprüft.

 

Verstösse gegen die Dienstpflicht sind gesetzlich kodifiziert. Das Gesetz sieht sowohl Freiheits- als auch Geldstrafen für Zuwiderhandlungen vor.

 

Im Falle eine Krisensituation wie der Corona-Pandemie erlaubt das Gesetz die Einberufung von Dienstpflichtigen. Die Armee kann zur Unterstützung herangezogen werden, wenn alle anderen Ressourcen (Zivilschutz, Zivildienst, Feuerwehr, Privatsektor usw.) ausgeschöpft sind.